Februar
2005
Conception Island
In den Wetterprognosen war für die nächsten
Tage starker Westwind angesagt worden. Da der Ankerplatz von Port Nelson,
auf Rum Cay, gegen diese Windrichtung absolut ungeschützt ist,
mussten wir uns also an einen Westwind geschützten Liegeplatz verlegen.
Auf Rum Cay gab es einen solchen aber nicht. Also segelten wir die knapp
25 Meilen bis zur nächsten Insel.
Conception
Island ist ein Nationalpark und gänzlich unbewohnt. Auf seiner
Ostseite gibt es einen recht gut geschützten Ankerplatz. Gegen
den angesagten Westwind sollte uns diese flache Insel genug Schutz bieten
können. Wellen könnten sich auch nicht gross aufbauen, denn
wir wollten relativ dicht unter Land ankern. Gegen den unangenehmen
Nordschwell würden uns der Booby Cay und ein dichtes Riff schützen.
Ein Liegeplatz mit solch guten Westwindvoraussetzungen ist, in dieser
Region der Bahamas, relativ selten. Daher stellten wir uns schon zum
voraus auf einen gut besuchten Ankerplatz ein.
Nach der wiederum etwas kniffligen Riffeinfahrt erwartete uns die erste
Überraschung. Mitten in der Durchfahrt lag ein ca. 80 Meter langes
Stahlschiff vor Anker. Einfach hingestellt, dem langsamen Verfall und
den vorbeikommenden Seeleuten zur Selbstbedienung freigegeben. Das halb
abgewrackte Boot steht in Mitten des Nationalparks. Dann kam die zweite,
diesmal jedoch freudigere, Überraschung. Auf dem Ankerplatz war
weit und breit kein einziges Boot zu sehen. Trotz des wirklich guten
Schutzes, wollte keine andere Yacht, die angesagte Kaltfront hier durchziehen
lassen. Uns konnte das natürlich nur Recht sein.
Auf einer Wassertiefe von nur 4 Metern fuhren wir den Anker, passend
für den angekündigten starken Westwind, gut ein und gaben
dann satte 80 Meter Kette raus. Nun waren wir gut gerüstet und
es hätte schon ein kleiner Sturm aufkommen können, ohne dass
wir ein Problem erhalten hätten. Sturm kam dann später keiner
auf, doch waren die 35 Knoten Wind schon nicht ganz ohne. Während
drei Tagen blies es praktisch nonstop und das wirklich zünftig.
Nach anfänglichen, zeitweise leicht nervösen Stunden, konnten
wir diesem Starkwind sogar noch etwas Positives abgewinnen. Nicht nur,
dass der Windgenerator unsere Batterien prall füllte, nein es gab
uns noch mehr Vertrauen in unsere ohnehin schon starke MOMO. Auch möchte
ich hier Yvonne ein Kompliment machen, wie sie so locker und ruhig während
dieser windigen Zeit über war. Ich jedenfalls habe, auch während
den Nächten, immer wieder unsere Ankerposition kontrolliert und
war irgendwie nicht so
ganz entspannt. Die laut rauschende Brandung am Riff, nicht allzu weit
hinter unserem Heck, war mir am Anfang doch schon etwas unheimlich.
Während einer Woche verweilten wir hier ganz mutterseelenallein.
Wir durchstreiften, trotz des starken Windes, diese kleine und verlassene
Naturschutzinsel. Während dem Strandgut einsammeln, mit Geschichten
spinnen über deren Herkunft, bis zum herrlichen Faulenzen im feinen
Sandstrand, verging diese schöne Zeit wie im Fluge. Ja, wir bekamen
nun sogar schon ein kleines Terminproblem, denn Ursi, eine Freundin
von uns, wollte ab George Town mit uns mitsegeln. Mit nördlichen
Winden, aber leider auch mit noch immer recht hohem Schwell, verliessen
wir unsere einsame, gut schützende Ankerbucht und segelten, nach
einem unruhigen Zwischenstopp in der Calabash Bay auf Long Island, direkt
ins Mekka der USA und Kanada Seglergemeinde, nach George Town.
George
Town, das Mekka der nordamerikanischen Segler
Hier war
er nun also, der bekannteste Bahamastreffpunkt der Segler aus den USA
und Kanada. Man sagte uns schon vorher, wenn irgendwo fünf USA-Boote
in einer Bucht liegen, hätten sie schon ihr tägliches Funknetz.
Hier, sehr gut geschützt zwischen Stocking Island und Great Exuma
Island, lagen sie nun. Nicht nur fünf, nein, mindestens um die
fünfhundert Boote waren hier den ganzen Winter lang, vor Anker,
versammelt. Während der kalten Jahreszeit kommen diese Nordamerikaner
auf die Bahamas, um dann, gegen Ende Frühling, wieder nach Norden
hoch zu fahren. Wie in Europa die Zugvögel, so gehen sie hier,
Jahr für Jahr, immer von Nord nach Süd und umgekehrt.
Zum Glück
sind hier vor George Town ganz viele kleine Buchten und verschiedenste
Ankerplätze. Somit verteilen sich die vielen Yachten und die gewaltige
Menge stört, ganz ehrlich gesagt, nicht allzu gross. Nach den Wochen,
auf den verschiedenen und teilweise total menschenleeren Ankerplätzen,
genossen wir, für ein paar Tage, sogar das nicht ganz alleine sein.
Das Funknetz jeden Morgen um 08:10 jedenfalls war, von mir aus gesehen,
absolute Spitze. Nicht nur, weil wir über dieses unsere Karibikkarten
gegen die Karten der USA-Ostküste tauschen konnten, nein, auch
wie das Ganze sonst organisiert war. Diese Nordamerikaseglergemeinde
hatte hier ein reges Gemeinschaftsleben aufgebaut. Da half ein Mechaniker
einem Büromenschen, dort suchte ein Boot Hilfe von einem Informatiker,
hier gab jemand einen Kochkurs für Männer und um vier Uhr
war das obligate Bridgespiel angesagt. Der hier notwendige tägliche
Wetterbericht wurde schon beinahe professionell mitgeteilt und eine
Vielzahl von hilfreichen Informationen ertönte aus diesem Funknetz.
Wir sahen auch, wie in Georg Town etwa 20 Segler eine neue Bühne
mit Dach, auf einem einheimischen Kinderspielplatz, erstellten. In freiwilliger
Fronarbeit natürlich. Und da gab es dann natürlich noch den
bekannten Volleyballbeach. Das war nun der absolute Seglertreffpunkt.
Hier hiess es jeden Tag: Partytime. Auf acht Spielplätzen wurde
dazu immer emsig Beachvolleyball gespielt. Die Mannschaften waren jeweils
bunt gemischt, von jugendlich bis uralt. Das Spielniveau war nicht unbedingt
wichtig, denn nur lustig und laut musste es zu und her gehen.
In einer anderen Ecke des Beachs trafen sich verschiedene Leute, welche
jeder sein eigenes Musikinstrument dabei hatte. Da gaben sich die unterschiedlichsten
Musikrichtungen ein Stelldichein. Nicht gerade, dass nun ein neuer Johny
Cash entdeckt worden wäre, doch war es schon sehr erstaunlich,
wie gekonnt diese Segler (und auch innen) uns Zuhörern ihre Musikstücke
vortrugen.
Ein originelles Strandrestaurant, das "Chat n Chill", gab
es natürlich auch. Immer am Sonntag wurde dort ein leckeres suking
pig, ein Spanferkel gebraten.
Mit hello hier und hi da, war man sofort Mitten drin. Als kleine Weltenbummler
aus der Schweiz, (sorry, wo liegt denn das) fühlten wir uns aber
trotzdem als absolute Exoten und dies, trotz Alinghi und seinem grossartigen
Sieg im letzten Amerikacup. Diese Schmach wurmt übrigens noch heute
jeden Segler aus dem Bush-Land ... und zwar ganz gewaltig.
Exuma
Bank / Galliot Cut
Nachdem
Ursi in George Town wohlauf angekommen und bei uns zugestiegen war,
wollten wir nun wieder weiter segeln, um ein weiteres, neues Gesicht
der Bahamas kennen zu lernen.
In unserem amerikanischen Bahamas-Segelführer steht geschrieben,
dass wir alle Riffdurchfahrten nur über die Mittagszeit machen
dürften. Die Sonne müsse ganz hoch am Himmel stehen, damit
man mit dem blossen Auge navigieren könne. Das heisst, nur so seien
die unregelmässig verteilten Korallenblöcke, dicht unter der
Wasseroberfläche und die tieferen Riffpassagen besser zu erkennen.
Der
erste Schlag, von Georg Town aus Richtung Nassau, führte uns über
gute 40 Meilen gen Norden. So weit so gut. Wie können wir nun aber
über die Mittagszeit ankommen, wenn die Segeletappe ca. 8 Stunden
lang und die Ausfahrt aus der Bucht von George Town auch nur unter Tageslicht
möglich ist?
Da wir in der Zwischenzeit, die doch schon etwas eigene Mentalität
der Amerikaner nun besser verstehen gelernt haben, wissen wir auch,
dass jede Aussage in unserem Guide mit einem absichernden Satz untermalt
wird. Die amerikanischen Gesetze gehen ihre eigenen Wege und kein Autor
will das Risiko einer späteren Millionenklage am Hals haben.
Nach einem entspannenden Segeltag erreichten wir die Einfahrt in die
Exuma Bank. Beim Galliot Cut erwartete uns ein eindrückliches Naturschauspiel.
Diese Nadelöhrdurchfahrt ist überall eigentlich tief genug,
doch gibt es hier immer sehr starke Strömungen. Bei ablaufender
Tide verlässt ein wirklich reissender Fluss die Exuma Bank und
bei steigendem Wasser gibt es das Gleiche in die andere Richtung. Wenn
nun noch hoher Schwell und der Wind von der falschen Richtung dazu kommen,
so wird es da echt ungemütlich. Wir hatten zum Glück an diesem
Tage nur wenig Schwell und eine angenehme Brise Wind. Und trotzdem,
in dieser, nur ca. 300 Meter langen Nadelöreinfahrt, wurden wir
durchgeschaukelt, wie noch nicht oft bisher. Aus dem Nichts türmten
sich urplötzlich bis zu drei Meter hohe Wellenberge auf und schlugen
kreuz und quer auf unsere arme MOMO
ein. Zum ersten Mal auf unserer bisherigen Reise fand so eine Welle
auch den Eingang in unser Cockpit. Trotz einem kühnen Sprung auf
die Seite, musste Yvonne anschliessend ihre nassen Kleider wechseln.
Unmittelbar nach der Durchfahrt wurde es flugs so ruhig, als würden
wir in einem Schwimmbad segeln. Absolut keine Wellen, keinen Schwell
mehr und meistens nur noch 2-3 Meter tiefes Wasser. Wasser, welches
so klar war, dass es einfach unglaublich schien. Die Kontrolle der Ankerkette
konnten wir somit locker, natürlich trocken und vom Dingi aus,
durchführen. Einen Nachteil hatte dieses einmalig türkisblaue
Wasser aber doch auch. Es war, mit seinen 24 Grad, schon etwas zu kalt
für uns verwöhnte MOMO-Crew. Ausgenommen für Ursi, welche
täglich, im, natürlich für ihre Begriffe aus der winterlichen
Schweiz, warmen Wasser planschte.
Obwohl die Tide im Schnitt nur etwa einen Meter betrug, reichte es aus,
dass das Meer bei Niedrigwasser immer wieder unberührte Sandbänke
frei gab. Mit dem Dingi konnten diese dann erreicht und robinsonhaft
durchstreift werden. Neben Sanddollars und unzähligen Muschelarten,
gab es kurzzeitig vor allem die unglaublich saubere Natur zu bewundern,
bis das Ganze immer wieder mit dem steigenden Wasser endete.
Exuma
Bank / Little Farmers Cay
Nach einem
weiteren Segeltag, diesmal mit einem sagenhaften Etmal von 6 Seemeilen,
machten wir Halt auf der nächsten Insel. Little Farmers Cay ist
ein ganz kleines Dörfchen, hat aber doch schon einen Miniflugplatz.
Der kleine Spaziergang, unter ständiger Begleitung von munteren
Hunden, durch das Dorf und über die ganze Insel, gab uns einen
kleinen Einblick in das ruhige und beschauliche Leben dieser sehr freundlichen
Einwohner.
Exuma
Bank / Staniel Cay
Staniel
Cay ist heute noch sehr klein, doch hat es jetzt einen eigenen Yachtclub
mit einer neuen Hafenanlage. Diese zieht bekanntlich die grösseren
Motorboote, wie Speck die Mäuse, an. Nach dem Hafenbau folgt immer
die Eröffnung eines Clubrestaurants, der ersten Hotels usw. Heute
sind es noch ganz wenige Ferienhäuser, doch in ein paar Jahren
wird sich das hier bestimmt geändert haben.
Auf, oder besser gesagt innen in einem kleinen Felseninselchen, wurde
vor einigen Jahren ein Teil des Bondfilmes "Thunderball" gedreht.
Diese Insel besteht nur aus einem einzigen Felsen, welcher aber hohl
ist. Man kann unten durch einen kleinen Durchgang rein schwimmen. Die
einzige Lichtquelle in dieser Grotte ist oben, wo sich ein Loch im Felsen
befindet. Dadurch wirkt das Ganze sehr zauberhaft und leicht mystisch.
Dieses Inselchen heisst heute natürlich "Thunderball Grotto".
Exuma
Bank / Warderick Wells Cay
Einmal
mehr erwartete uns Natur pur. Der Land und Seepark Warderick Wells Cay
hat wohl einige Häuser, doch sind diese nur für die hier lebenden
Parkangestellten gemacht. Im Seapark sind Bojen ausgelegt, damit die
Riffe nicht von wild ankernden Booten beschädigt werden können.
Wir selber ankerten etwas südlich dieses Bojenfeldes, ungefähr
in der Mitte der Insel. Von hier aus konnten wir diese, auf gut markierten
Naturpfaden, sehr angenehm bewandern.
Exuma
Bank / Begegnung mit der SY Musca
Auf dem
Weg von Shroud Cay nach Allan's Cay, wir segelten einmal mehr wie in
einer Badewanne, hörte ich einen Funkruf für die SY
MOMO. Wir hatten ein paar Minuten vorher eine andere Aluyacht
gekreuzt, ob welcher ich mich noch gewundert hatte, ihre Flagge aber
nicht entdecken konnte. Die Amerikaner kennen Alu als Bootsmaterial
eigentlich nicht, somit müssten es bestimmt Europäer gewesen
sein. Am Funk stellte sich dann heraus, dass die Besatzung aus der Schweiz
kommt. Gabriela und Peter, von der SY Musca waren auf dem Weg, von Kanada
kommend, zurück nach Europa. Die Beiden segelten vor zwei Jahren,
für eine Saison, zu den Great Lakes hoch. Weil es da im Norden
oben so schön sei, wurden dann für sie halt kurzerhand zwei
Jahre daraus. Das sind ja gute Nachrichten für uns. Für wie
viele Jahre werden wohl wir, dort oben, hängen bleiben?
Nach einem kurzen Funkpalaver und einer kleinen Besprechung mit meiner
weiblichen Crew, änderte ich kurzerhand unseren Kurs und wir gingen
zusammen mit der SY Musca, in Norman Cay, vor Anker. Bei einem Glas
deutschen Weines, welcher Peter und Gabriela mit auf die MOMO
brachten, bekamen wir viele interessante Tipps und News von Kanada zu
hören. Die beiden schwärmten vom hohen Norden, so dass unsere
Neugier auf Kanada noch grösser wurde. Der Kontrast an diesem Tage,
hätte nicht grösser sein können. Wir sassen hier im warmen
Cockpit und hörten die Geschichte von der letzten Überwinterung
der SY Musca, bei Minus 35 °, in Kanada oben.
Am nächsten Tag trennten sich unsere Wege leider schon wieder.
Gabriela und Peter zogen in die Karibik und wir segelten weiter nach
Nassau.
Nassau,
auf New Providence Island - die Hauptstadt der Bahamas
Hier ist
das wirtschaftliche Zentrum der Bahamas und es leben über die Hälfte
der gesamten Bevölkerung von etwas über 300'000, von denen
wiederum ungefähr 85 Prozent Schwarze sind, hier. Wir schnupperten
somit wieder einmal ein wenig Stadtluft. Nach der Dominikanischen Republik
und der Abgeschiedenheit auf den traumhaften bahamesischen Inseln, war
das wirklich ein überaus interessanter Kontrast. Das emsige Treiben,
wenn die Passagiere eines der vielen Kreuzfahrtschiffe an Land gespuckt
wurden, oder die Stimmung im grossen Kasino des imposanten Atlantis-Komplexes,
war wieder wie neu und ungewohnt für uns.
Nach einem feinen Abschiedsessen musste Ursi uns gegen Ende des Monats
leider wieder Richtung Schweiz verlassen. Sie machte dies aber mit der
festen Zusage, in Kanada oben, wiederum an unserem Fahrtenseglerleben
teilnehmen zu wollen.
Wir selber begannen mit dem weiteren Erkunden der Stadt und seiner Umgebung.
So konnten wir, unter vielem anderem, auch feststellen, dass es hier
eine Menge schön renovierter Häuser aus der Kolonialzeit gibt.
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