Juni 2003



Nordwärts, der Karibik entgegen

Die Trinkwassertanks und alle Reservekanister sind mit Itaparica-Mineralwasser total aufgefüllt. Das Unterwasserschiff nochmals gründlich geschrubbt und unser geliebtes Salvador liegt jetzt querab. Nun sind wir also endgültig wieder auf hoher See.

Unsere MOMO fühlt sich wohl.

Blick zur Momo aus Deutschland.

Diesmal jedoch, das heisst, mindestens für die nächsten Monate oder vielleicht noch länger, sind wir nicht mehr alleine unterwegs. Barbara und Wolfgang (beinahe habe ich den Kater Einstein vergessen), von der deutschen Momo, haben als nächstes Etappenziel auch die Karibik im Visier. So haben wir beschlossen, diese Strecke gemeinsam zu bereisen. Erstens gibt dies auf hoher See eine gewisse zusätzliche Sicherheit und zweitens können beide Boote jeweils vom Fischfang des anderen profitieren. Die gemeinsamen Fisch- und sonstigen Essen sind jedenfalls und dies nicht nur alleine wegen dem Wein, immer interessant und lustig.





Maceió

Unser erster Zwischenstopp. Nein, stimmt eigentlich nicht ganz genau. Schon 9 Meilen vorher wollten wir vor Anker gehen. Porto Francés, dort, wo vor Jahren die Franzosen als erste an Land gegangen sind, wäre ein sehr schöner Ankerplatz gewesen. Leider ist es für diesen idyllischen Platz aber die falsche Jahreszeit. Die Einfahrt durch das Riff ist nur sehr schmal und der Schwell kommt momentan genau aus südlicher, also der absolut falschen Richtung. Somit ist klar, wir müssen in den Hafen von Maceió ausweichen. Vor diesem Hafen wurden wir aber schon in Salvador vorgewarnt. Schmutzig, die Favelas (Elendsviertel) direkt vor dem Boot und lärmig von dem Industriegelände, hiess es. Bei der Einfahrt in den Hafen gingen mir diese Dinge wieder durch den Kopf und ich redete mir ein, dass das sicher doch nicht so schlimm sein könne. Bestimmt masslos übertrieben, Seemannsgarn.

Am nächsten Tag, als wir zum Einklarieren mit unserem Dingi an Land wollten, traute ich meinen Augen und der Nase nicht. Wir kurvten vor dem Strand hin und her. Die Leute aus den Favelas beobachteten uns aus den Augenwinkeln und verstanden nicht, warum wir nicht an Land kamen. Ich weiss nicht, ob die Einheimischen hier schon blind sind und ihre Geschmacksnerven total abgestorben. Jedenfalls, ich sagte mir: "Nein danke, durch diese Kloake gehe ich nicht."
Der Gedanke war noch nicht zu Ende, da begann unser Dingimotor zu stottern und setzte kurz darauf ganz aus. Einer, der abertausend umherschwimmenden Plastiksäcke hatte sich im Propeller verfangen und diesen kurzerhand blockiert. Nun war klar, die Wellen und der Wind trieben uns genau mitten in die grösste Kloake rein und dem Abfallstrand entgegen. Da am Strand noch vereinzelte Steinbrocken herumlagen, mussten wir, Yvonne, Barbara und meine Wenigkeit, das Dingi im hüfttiefen Wasser verlassen. Zwischen gebrauchten Pampers, toten Fischen und Bierdosen, Toilettenpapier und seinem Inhalt, verfaultem Gemüse und weiss sonst nicht noch was allem, watschelten wir diese Müllhalde hoch. Sprachlos über so viel Dreck und Gestank, trugen wir das Dingi an Land. Dort konnten wir uns zum Glück, beim freundlichen Yachtclub, sofort gründlich waschen und abschrubben. Dabei waren unsere Gedanken aber schon weiter, nämlich beim: Wie kommen wir wieder zurück aufs Boot?

Unsere Aufenthaltsdauer in Maceió wurde durch dieses unzumutbare an Land gehen sehr stark gekürzt. Obschon das kleine Städtchen eigentlich sehr reizvoll war, verliessen wir es, sicher verständlicherweise, raschmöglichst wieder. Ausser auf eine abenteuerliche Eisenbahnfahrt nach Rio Largo, verzichteten wir auf alle weiteren Ausflüge.




Eine Eisenbahnfahrt entlang des Rio Largo

Einfahrt des Zuges in den Bahnhof von Maceio.

Yvonne sitzt nicht etwa im Gefängniswagen. Die gesiebte Aussicht aus dem fahrenden Zug.

Hinten ist die Türe immer offen. Bevor der Zug dieses Dorf passieren kann, müssen zuerst alle Leute weggeschickt werden.
Fussball unter den Palmen.

Ein kleines Dorf am Rio Largo.

Ein ganz spezieller Balkon. Eine Zugfahrt die macht hungrig.
Unser Zug verlässt den Bahnhof von Rio Largo.

 

 

 

 

 

 









Maragogi

Von einigen Mitgliedern des Yachtclubs von Maceió erhielten wir den Hinweis, unbedingt Maragogi zu besuchen. Die Einfahrt hinter das Riff sei zwar schon etwas schwierig, doch mit ihrer Skizze sollten wir die kleine Passage finden. Nun bekamen wir also ein A-4-Blatt mit verschieden Peilangaben, Positionspunkten und einigen Strichen, welche die Küste und das Riff darstellen sollten. Ach ja, da dürften wir dann aber nur bei Tageslicht, klarem Wasser und erst noch nur bei Hochwasser durchfahren, das sei ganz wichtig, sonst...., gaben sie uns zum Schluss noch mit auf den Weg.

Mit dieser Skizze im Cockpit, bei Hochwasser und unter Tag, tasteten wir uns dann also langsam hinter das Riff vor Maragogi. Ausser einigem Nervenkitzel, als das Lot plötzlich, gottlob jedoch nur für einen kurzen Moment, nur noch ganze 2 Meter Wassertiefe anzeigte, gelang uns die Einfahrt ohne Probleme.
Ein sauberes, kleines brasilianisches Fischerdorf erwartete uns. Unsere beiden MOMO's waren weit und breit wieder einmal die einzigen Segelboote. Sonst gab es hier nur noch die kleinen einheimischen Fischerboote und natürlich einen meilenlangen Sandstrand.
Bei Niedrigwasser wurden auf diesem sofort verschiedene Spielfelder abgesteckt und die Fussballspiele dauerten so lange an, bis das Wasser ungefähr die Hälfte des benötigten Platzes wieder zurückerobert hatte. Dieses Schauspiel wiederholte sich tagtäglich und mir wurde auch sofort klar, warum Brasilien im Fussball Weltmeister ist. Das Reservoir an Talenten ist hier unerschöpflich.



Pasteleria


Wie unheimlich gross die brasilianische Gastfreundschaft ist, erfuhren wir einmal mehr bei einen Besuch im Dorf. Als mich ein kleiner Hunger plagte, beschloss ich, diesen mit einem "Pastel" zu bekämpfen. "Pastel's" sehen übrigens aus wie übergrosse Ravioli, nur, dass diese dann in Öl fritiert werden und frisch zubereitet, sehr gut munden. Also gingen Yvonne und ich in die Dorfpasteleria, assen je zwei Pastel und tranken Fruchtsaft dazu. Die beiden Pasteleriabesitzer waren ein jüngeres Ehepaar und zeigten sich sehr interessiert an uns. Woher wir kommen. Was, mit einem Segelboot übers Meer. Ob es uns in Brasilien gefalle und wie wir das Land erleben. Da Yvonne sich schon recht gut auf portugiesisch verständigen kann, was ich von mir wieder mal nicht behaupten kann, ergab sich eine angeregte Unterhaltung. Als wir nach knapp zwei Stunden fanden, dass wir gehen müssen, weil noch unbedingt Früchte und Milch eingekauft werden müssen, verlangten wir die Rechnung. Rechnung? Nein, wir seien selbstverständlich Ihre Gäste gewesen. Es sei ihnen eine grosse Ehre, dass wir in ihrer Pasteleria eingekehrt seien. Sie möchten sich bei uns bedanken, denn noch nie sei jemand aus der kleinen Schweiz bei ihnen zu Besuch gewesen. Ganz verschämt steckten wir unseren Geldbeutel wieder ein und uns war klar, diese beiden bekommen noch ein Geschenk von der MOMO.
Wir wussten, sie haben einen kleinen Sohn, welcher die erste Schulklasse besucht. Also setzte Yvonne sich tags darauf hinter die Nähmaschine und nähte für den Knaben ein popiges Schuletui. Bestückt mit verschiedenen bunten Kugelschreibern überbrachten wir es gegen Abend.

Weit und breit die einzigen Segelboote.

Unsere Aussicht Richtung Land. Darum ist Brasilien Weltmeister.
Talente wie Sand am Meer.

Wolfgang am Surfen.... ....und Barbara ist am Dingisegeln ....
.... und wir sind am Strand unterwegs.

Klein "Ronaldo".

Der erhaltene Kugelschreiber wird sogleich
auf dem Oberschenkel getestet.

Hier gibt es lebendige Krebse zu kaufen.

Yvonne kauft beim Strassenhändler Gemüse.






















Boule

Zwischendurch gingen wir an an Land, um in "unserem" Strandrestaurant ein Caipirinha zu trinken. Das ist ein Getränk aus Zuckerrohrschnaps, Limonen, Zucker, Wasser und Eis.
Um unter uns beiden MOMO-Crew's die Bezahlung dieses (meistens wurden es aber mehrere) Getränkes zu regeln, einigten wir uns, dass die Sieger im Boulespiel, dann freigehalten werden.

Boulespiel mit brasilianischen Jungs.

Der Profi am Werk....
.... und der Brasilianer beherrscht die Technik auch schon sehr gut.

Kaum hatten wir am Strand mit dem Spiel begonnen, kamen schon die ersten Kinder. Zuerst nur sehr zaghaft und als Zuschauer. Kurze Zeit später waren es schon mehrere und sie diskutierten eifrig mit, welche Kugeln nun gewonnen haben. Nach kurzer Rücksprache mit unserem "Gegner", stellten wir kurzerhand zwei neue Mannschaften zusammen. Deutschland und die Schweiz wurden mit je vier brasilianischen Kindern verstärkt. Jetzt begann das Gaudi erst richtig und das fachmännische Palaver der Kinder wurde zunehmend lauter. Um einer Enttäuschung, oder sogar einer handfesten Auseinandersetzung, auf Seiten der Kinder, zuvorzukommen, endeten diese Art von Spiele komischerweise immer unentschieden.



Eine Prozession ... zum Tage des Schutzpatrons der Pescadors

Schon seit einigen Tagen, machten uns verschiedene Fischer auf den nächsten Sonntag aufmerksam. Da sollte ihr grosser Tag stattfinden. Die alljährliche Prozession zu Ehren des Schutzpatrons der "Pescadors".
Selbstverständlich gruben wir, zur Feier dieses Tages, unseren grossen Flaggenschmuck aus dem tiefsten Winkel unserer MOMO hervor. Dieser hatte schon leicht Staub angesetzt, denn er wurde zum letzten Mal vor ziemlich genau zwei Jahren, anlässlich unserer MOMO-Bootstaufe gehievt. Sonntagmorgen, 10:00 Uhr stampften die beiden MOMO's im Wasser rauf und runter. Inzwischen hatte nämlich stärkerer Wind eingesetzt und zusammen mit dem Schwell, welcher bei Hochwasser voll über das Riff, in die sonst geschützte Lagune donnerte, wurde es nun doch sehr ungemütlich. Wir hielten Ausschau nach den angekündigten, festlich beflaggten Fischerbooten. Hatten die uns etwa einen Bären aufgebunden? Keine Aktivitäten auf den um uns herum liegenden Booten. Endlich, so gegen Mittag, erschienen dann doch einige Fischer und begannen ihre Boote mit einfachen, selbstgemachten Fähnchen und Plastikschnipseln zu schmücken. Beinahe genierte ich mich jetzt über unsere Flaggenparade.
Innerhalb der nächsten Stunde krabbelten in der gesamtem Lagune, auf praktisch allen Fischerbooten, Leute herum und schmückten diese. Anschliessend wurde, so nahe es irgendwie möglich war, an das flache Ufer rangefahren, um Familienangehörige
und Gäste aufzuladen. Dieses alleine war schon ein besonderes Schauspiel. Frauen, Kinder und Männer wateten durch die Brandung, Richtung Fischerboote. Die Kinder in den Badehosen, die Erwachsenen desgleichen, nur dass diese dann auf ihrem Kopf noch ein Paket mit Kleidern trugen. Als auch die Getränkekisten an Bord verstaut waren, nahm das Spektakel seinen Anlauf. Die Boote fuhren kreuz und quer umher und ballerten Knallpetarden ab. Um uns herum, wie wenn sie es auf uns abgesehen hätten, war ein Höllenlärm. Gegen halb drei begannen sich die Boote zu formieren und fuhren in Einerkolonne hinter einem Ausflugskatamaran her. Auf diesem war der heilige Schutzpatron, seinen richtigen Namen haben wir leider nicht rausgefunden und die Dorfprominenz versammelt. Die gesamte Lagune wurde nun, innerhalb der nächsten Stunde, gemeinsam abgefahren. Nach getaner Abbitte, werden sich nun im nächsten Jahr bestimmt noch mehr Fische in ihren Netzen verfangen.

Unsere MOMO trägt stolz den Flaggenschmuck.

Die ersten geschmückten Fischerboote kommen. So geht Mann und Frau in Maragogi an Bord.

Geschmückt nach
Brazil-Art.
Alles was schwimmt, ist unterwegs.
Beladen bis zum Rand.

Die Musik darf natürlich
auch hier nicht fehlen.

Auch der Platz auf dem Dach wird noch ausgenützt. Der Zug formiert sich....
.... und fährt Richtung Riffkante.