Juni 2004




Die Fahrt nach Los Testigos

Gute zwei Wochen sind inzwischen vergangen, seit die Eltern von Yvonne, uns und die MOMO verlassen haben.
Inzwischen sind auch SangHee und Hans, von der SY "Seute Deern" und unsere alten Freunde Barbara und Wolfgang, mit Ihrer deutschen "Momo", wie vorher abgemacht und vorgesehen, in der Prickly Bay eingetroffen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich auch schon total sieben verschiedene Segelboote, welche gemeinsam die Strecke nach Venezuela segeln wollten, zusammengefunden.

Die Sternenflagge von Venezuela wird gehisst.

Die Erklärung, warum wir nun plötzlich, inmitten einer ganzen Armada über das Meer schippern wollten, ist ganz einfach. In und um die Region Venezuela lauern leider zwischendurch einige böse Buben auf, welche gerne den kostbaren Inhalt einer Segelyacht, als ihr Eigentum betrachten. Auch hat es, laut einigen offiziell vorliegenden Berichten, schon verschiedenste Überfälle mit Verletzten und auch sogar Toten gegeben. Von den unmöglichsten Gerüchten und dem Seemannsgarn, welche leider allzu ängstliche Segler immer wieder gerne verbreiten, ganz zu schweigen. Um uns vor den, leider schon vorhandenen, Gefahren ein wenig zu schützen, hatten wir also beschlossen, diese gefährdete Strecke gemeinsam zurückzulegen.
Das war anfangs auch das erklärte Ziel aller sieben Boote gewesen. Doch, wie die Blauwassersegler eben sind, jeder ist ein ausgesprochen extremer Individualist und sein eigener Wetterprophet. Jedenfalls war unsere Gruppe kurzfristig auf vier Boote zusammengeschrumpft.
Die deutsche "Momo"hatte ihr, ehrlich gesagt viel zu kurzfristig in Europa bestelltes Antifouling, noch immer nicht erhalten und musste, notgedrungen, weiter auf ihr Material warten. Ein anderes Segelboot hatte dann irgendwo gehört, es gäbe, ausgerechnet in dieser Nacht, sehr heftige Gewitter mit Blitz und Donner. Auch bringe die nächste Tropical Wave jetzt gerade sehr viel Regen und Wind. Ängstliche Segler beginnen plötzlich zu phantasieren. Wiederum ein anderes Boot war noch immer nicht abfahrtbereit, obschon der Starttermin allen seit einer Woche bekannt war ......
Also verliessen wir, am Donnerstagabend um 17:30 Uhr, gemeinsam mit der "Seute Deern" von Südafrika, der "Nirvana" aus den USA und der "Baloo" aus Österreich, die Prickly Bay auf Grenada.

Ein leckerer Red Snapper.

Kaum waren wir aus der Bucht, erfasste uns schon der Passatwind. Mit konstanten 17 bis 23 Knoten begann er uns sofort Richtung Testigos zu schieben. Als alle Arbeiten an Bord erledigt und die kleine Genua richtig eingestellt war, wurde natürlich die Angelleine auch rausgeworfen. Ich war noch nicht ganz fertig mit dem ganzen Einstellen und Befestigen der Rute, da gab die Angelrolle schon das heiss geliebte Rattergeräusch, RhRhRhRhRh, von sich. Das hiess, das erste Festessen, ein Red Snapper-Schmaus, war schon nach 15 Minuten Fahrt gesichert. Nur als kleine Anmerkung sei hier noch erwähnt; es sollte leider der einzige Fisch sein, welcher unser gesamter Konvoi auf dieser 90-Meilen Strecke fing.
Die gesamte Nacht hindurch konnten wir auch von einem leichten Schiebestrom und weiterhin sehr guten Wetterverhältnissen profitieren. Es wurde eine der angenehmsten Nachtfahrten bislang. Der Anblick der Positionslichter, der mitsegelnden Boote
, gab auch allen das erhoffte Gefühl der Sicherheit.




Los Testigos und seine Schildkröten

Die Bucht mit dem Haus der "Armada de Venezuela".

Fischerhütten auf Los Testigos.

Traumstrand.

Auf Los Testigos angekommen, meldeten wir uns selbstverständlich sofort bei der "Armada de Venezuela". Auf dieser kleinen Insel gibt es keine eigentliche Zollbehörde. John, der Amerikaner von der "Nirvana", welcher früher mehrere Jahre in Caracas gelebt hatte und daher fliessend spanisch sprach, war unser perfekter Dolmetscher. Mit seiner gewinnenden Art konnte er den wachhabenden Beamten problemlos überzeugen, uns eine Aufenthaltsbewilligung für 5 Tage zu erteilen. Normalerweise werden da nur zwei Tage gewährt.
Noch ein kurzes Wort zu dem offiziellen, ersten Empfang in Venezuela. Der Vergleich der Zöllner, beim letzten Ausklarieren in Grenada und nun beim Anmelden auf Los Testigos, hätte nicht krasser ausfallen können. Hier der wirklich herzliche Empfang durch Roberto, einen Tag zuvor der unmögliche, dumme und rassistische Zöllner in der Prickly Bay. Na ja, das ist nun zum Glück vorbei und dieser, hier erwähnte Zöllner, war ja auch nur einer von vielen ...........

Die Inselgruppe Los Testigos wird nur von einigen Fischern, mit ihren Familien, bewohnt. In der traumhaften Landschaft, von uns Durchreisenden aus gesehen, haben sie ein recht hartes Los. Es gibt hier keine Einkaufsmöglichkeiten. Alles dreht sich beinahe nur um den Fischfang. Beinahe, ist richtig gesagt. Es gibt selbstverständlich auch hier so einige Dinge, welche natürlich verboten wären, aber das doch sehr geringe Einkommen der Inselbewohner immens vergrössern helfen.
Zum Beispiel, frisch gelegte Schildkröteneier ausgraben, um diese später am Festland, als angebliche Delikatesse, teuer zu verkaufen. Oder auch ganze Schildkröten, nur des schönen Panzers und des Fleisches wegen, umzubringen. Was uns als Tier- und Naturliebhaber sehr schmerzt, ist für sie, leider, ein natürlicher Teil des täglichen Überlebens.
Während unseres 5-tägigen Kurzaufenthaltes hatten wir die Gelegenheit, in einer Nacht, dem Schauspiel der Eiablage der Meeresriesenschildkröten zuzuschauen. Wie diese grossen Tiere das Wasser verlassen, sich mühsam über den Sand robben, ein grosses Loch ausbuddeln, um dann darin ihre Eier zu hinterlassen, ist beeindruckend. Die Atmosphäre, rund um diese Riesen herum, ist einmalig und wirkt mystisch. Erst bei Tageslicht konnten wir dann die eigentliche, immense Grösse dieser Tiere uns so richtig vorstellen. Die hinterlassenen Spuren im Sand und die grossen Sandhaufen, welche sie über die zurückgelassenen Eier geschüttet hatten, waren mehr als eindrücklich. Beim Anblick dieser friedlichen Urtiere fühlten wir uns ein wenig in die Steinzeit zurückversetzt.

Vorbild für die Landschaftsgärtner.

Ganze Hänge voll mit schönen, aber sehr stacheligen Kakteen. Blühender Kaktus.


Brutstätte. Vorwitziges Jungtier.
Yvonne auf der Sanddüne.

Schildkrötenspur.

An diesem Strand legen die Schildkröten ihre Eier.

Gewilderte, leere Schildkrötenpanzer.
Warten auf die Flut .... und mich, um zur MOMO zurück zu fahren.





















Grillparty am Strand

Letzte Vorbereitungen.
John ist unser Grillmeister.

Gerhard, der Österreicher von der "Baloo", kam an einem Nachmittag mit seinem Dingi kurz zu uns rüber gefahren. "Servus MOMO, heute um 17:00 gibt es ein Grillfest am Strand. Die Amerikanerin, welche für zwei Wochen bei John zu Besuch ist, spendet die T-Born-Steaks. Bringt einfach nur etwas an Beilagen mit." So einfach, kurz und spontan sind meistens die Einladungen unter den Langfahrtenseglern. Das internationale "Grillfest" auf Los Testigos wurde zu einer wahren Gaumenfreude. So saftige und dicke Steaks hatte ich, seit wir die Schweiz verlassen haben, nicht mehr gegessen. Mit dem reichlich getrunkenen Wein wurde der Abend immer später, die Geschichten immer spannender und alle genossen das friedliche und fröhliche Zusammensein.
Das engstirnige Nationalitätendenken verschwindet, auf unserer Reise, je länger je mehr. Ob jemand aus den USA, Südafrika, Südkorea, Österreich, der Schweiz, oder sonst irgendwo her kommt, spielt heute überhaupt keine Rolle mehr. Was nur noch zählt ist einzig und alleine die Person, welche in Natura vor dir steht. Da kann es manchmal (leider schon des öftern) sogar auch vorkommen, dass wir einen sogenannten "Ausländer", einem eigenen Landsmann vorziehen. Die sprachliche Verständigung ist, in so internationaler Runde, immer recht unterhaltsam. Da wird, gezwungenermassen, schon mal mit Händen und Füssen, mit Gesten und Mimik gesprochen. Ob dann schlussendlich jeder alles ganz genau verstanden hat, ist ja auch nicht immer so wichtig.

Wie das duftet.

Die grosse Tafelrunde. Auch John, dem Ami, scheint es zu munden.

Ein Prost nach Europa. Seemannsgarn wird am Lagerfeuer gesponnen.












Isla Margarita

Nach nur fünf Tagen mussten wir Los Testigos schon wieder verlassen. Unser nächstes Ziel hiess jetzt Porlamar.

Der Kingfisch ist an Bord.

Er ist wirklich einen Meter lang.

SangHee, Barbara, Wolfgang, Hans und Yvonne.

Diese Strecke segelten wir in Begleitung unserer Freunde aus Deutschland und Südafrika. Der "Momo-De" und der "Seute Deern", oder anders gesagt, mit Barbara und Wolfgang, SangHee und Hans.

Bei besten Segelbedingungen starteten wir um sechs Uhr morgens. Jedes Boot hatte natürlich wieder seine Angelleine, mit dem besten Köder dran, ausgelegt. Gegen zehn Uhr machte es RhRhRhRhRh, das heiss geliebte Rattergeräusch ertönte. Nun hiess es, sofort etwas Fahrt aus der MOMO nehmen. Bei einer Geschwindigkeit von über sechs Knoten ist die Gefahr recht gross, dass die Angelschnur sonst reissen könnte. Das Einholen der Leine dauerte diesmal etwas länger, denn, der an der Angel hängende Kingfisch, hatte die stattliche Länge von einem Meter. Dass dieser sich auch nicht so ganz kampflos seinem Schicksal ergeben hatte, versteht sich. Leine Einholen, dann wieder, wenn der Fisch flüchten wollte, etwas Leine nachgeben, aber immer straff gespannt musste diese sein. Diesen ungleichen Kampf konnte der Kingfisch natürlich niemals gewinnen.

Das grosse Abendessen, wie gewohnt von Yvonne sehr lecker zubereitet, mundete allen wiederum ausgezeichnet. Da dieser Kingfisch ein so grosser war, konnten wir nun zum ersten Mal auch noch das "Fischfilettrocknen" anwenden. Edith, von der schweizer "SY Serenade", hatte uns ein einfaches Rezept überlassen, welches Yvonne nun gerade ausprobieren kann. Wir werden dann aber erst später sehen, ob etwas Geniessbares daraus geworden ist.
Der Gerechtigkeit halber möchte ich hier aber doch noch erwähnen, dass Wolfgang von der Momo-De, auch einen Kingfisch gefangen hat. Dass dieser aber nur 75 cm lang war tut nichts zur Sache, ausser, dass die Alpenländer den Seefahrernationen langsam unheimlich werden. Zuerst Amerikacup-Sieger, nun auch noch kleiner Fischerchampion, das nagt schon langsam an ihrem Selbstvertrauen.
Hans, welcher seit Wochen ohne Fischerglück ist, spendete, zum zweiten grossen Fischabendessen, dann den Wein. Feinen Südafrikanischen natürlich. Sein grosser Weinvorrat in der Bilge schrumpft nun aber auch langsam, denn bei so einem Gelage bleibt es nie nur bei einer Flasche.

Ankunft in Porlamar.

Fischer von Asuncion
Simón Bolivar - der "Befreier" Südamerikas.

Gemütliches Strandrestaurant.

Porlamar ist, mit seinen 140'000 Einwohnern, die grösste Stadt auf der Isla Margarita.
Diese, dem venezuelanischen Festland vorgelagerte Insel, hat den Status einer so genannten Freihandelszone. Hier können ausländische Luxusgüter Zollfrei eingekauft werden.
Von der raschen Entwicklung, zur beliebtesten Feriendestination der Venezuelaner, zeugen leider viele Bausünden und die, beinahe noch grösseren, Bauruinen.

Voller Vorfreude, in Erinnerung an unsere tolle Zeit in Brasilien, begannen wir die Stadt und das angrenzende Hinterland zu erkunden. Schon nach den ersten Tagen mussten wir aber feststellen, dass Venezuela halt doch keinem Vergleich mit Brasilien standhält. Die herzliche Freundlichkeit, obschon die Venezuelaner sie ja eigentlich doch auch hätten, trafen wir auf Isla Margarita nicht an. Irgendwie brauchen wir vielleicht noch ein paar Tage, oder Wochen, um uns in diesem Land richtig heimisch zu fühlen.
Isla Margarita war sowieso nur ein kleiner Zwischenstopp, auf dem Weg zu unserem Sommerlager 2004. Dieses sollte die Marina Bahia Redonda in Puerto La Cruz werden. Laut dem Internetangebot und den Inseraten eine sichere und sehr moderne Marina, mit Schwimmbad und allem Komfort. Das wichtigste aber, die Liegeplatzgebühren, könnten wir da, als einfache Langfahrtensegler, sogar noch bezahlen. Wir werden ja sehen, ob die gemachten Versprechungen dann auch eingehalten werden.
Puerto La Cruz soll also unser nächstes Basislager werden. Von hier aus wollen wir in den folgenden 3-4 Monaten, als einfache Rucksacktouristen, das Landesinnere von Venezuela bereisen. Reiten in den venezuelanischen Anden, Wandern um und auf dem Pico Bolivar, Besuch bei den Indianern im Orinocodelta, zum Tafelberg und dem Salto Angel, dem höchsten Wasserfall der Welt. Das sind nur einige Stichworte zu unseren nächsten Ausflugszielen. Zwischendurch werden wir immer wieder zurück zu unserer MOMO kommen, um an ihr die anstehenden Wartungsarbeiten zu erledigen, damit wir dann, nach der Hurrikanzeit, ca. Ende November 2004, weiter Richtung Dominikanische Republik und anschliessend den USA segeln können.

Kein Gefängnis, sondern ein normales Restaurant in Porlamar.

Nuestra Señora de la Asuncion, eine der ältesten Kirchen von Venezuela. Die alte Glocke aus dem Jahre 1665. Die Pelikane nehmen ein unbewohntes Boot in Beschlag. Abendstimmung.
Die Pelikane nehmen auch dieses Wrack in Beschlag. Ob das auf der dünnen Wante bequem ist? Der antike Shoppingbus holt uns ab. Wie alt der Bus wohl ist? Unsere Ankunft in
Puerto La Cruz.