Juni
2007
Erie
Canal Nördlich
von Albany steuerten wir unsere brav dahin tuckernde MOMO
nach backbord und verabschiedeten uns vom Hudson River. Nach ca. 250 Seemeilen,
immer Ausschau haltend nach den Frachtschiffen, folgte nun der ruhigere Abschnitt
auf unserer Reise nach Norden. Wir waren am südlichsten Punkt des Erie Canals
angelangt. Der
324 Seemeilen lange Kanal verbindet die Great Lakes mit dem Hudson River und somit
auch mit dem Atlantik. In Waterfront, dem Städtchen zu Beginn des Kanals,
waren wir auf einer Höhe von 7 m über Meer. Nachher stieg es kontinuierlich
an, bis auf 130 m in Rome, um dann in Syracuse, wo wir die Abzweigung zum Lake
Ontario nicht verpassen durften, wieder auf 116 m runter zu gehen. Im Lake Ontario
angekommen zeigte uns der Höhenmesser 74 m an. Früher
war dieser, im Jahre 1825 eröffnete Kanal, die wichtigste und kürzeste
Verbindung zum Atlantik. Zwischen 1905-18 wurde der Kanal total renoviert, doch
hat er heute für den Frachtverkehr keine Bedeutung mehr. Seit den 1990er
Jahren dient er überwiegend nur noch der Freizeitschifffahrt, also den gewöhnlichen
Leuten, so wie wir es sind. Um
den Höhenunterschied, zwischen dem Hudson River und den Great Lakes, mit
einem Boot zu bewältigen, braucht es natürlich Schleusen und diese hat
es in diesem Kanal wahrlich zur Genüge. Da wir noch vor der Ferienzeit und
somit vor der grossen Welle der Freizeitkapitäne den Canal hoch tuckerten,
befanden wir uns praktisch immer alleine in den Schleusen. Am Anfang waren wir
echt froh, dass in diesen schwarzen Schächten kein Gedränge herrschte.
Du musst dir das so vorstellen. Es war schönster Sonnenschein und wir fuhren
in ein schwarzes Loch. Vorne, links und rechts ging es nun plötzlich 10-12
Meter senkrecht in die Höhe und dann hörst du hinter dir ein knarren
und quietschen und schlussendlich einen dumpfen Knall. Das Schleusentor hatte
sich geschlossen und ganz hoch oben konnten wir noch knapp die Sonne sehen.
| |
Hier
mit etwas Farbe und einem Wasserfall.
| Hier
alles dunkel und nicht sehr einladend. | Nun
mussten wir schleunigst je eine nasse, schlüpfrige Leine angeln, welche an
der Schleusenwand herunterhing. Je nach Schleusentyp sprudelte es dann von der
Seite, oder von vorne. Es entstand immer eine recht starke Strömung und die
gesamte Bootsmannschaft musste, bewaffnet mit dem Bootshaken, auf dem Seitendeck
Stellung beziehen. Jetzt hiess es, sich mit aller Kraft von der rauhen Schleusenwand
wegdrücken und zugleich auch das Tau immer dichter nehmen. Dies natürlich
nur beim Hochschleusen, denn beim Runterschleusen musste das Tau selbstverständlich
freigegeben werden. Dies liest sich alles ein wenig komplizierter, als es in
Wirklichkeit war. Nach den ersten paar Schleusen, hatten wir dieses ganze Prozedere
gut im Griff und auch die schwarzen Schleusenwände hatten ihren Schrecken
weitestgehend verloren. Ich möchte sogar sagen, wir hatten das "Schleuselen"
im Griff und es stellte sich mit der Zeit sogar eine gewisse Gewöhnung ein
und es bedeutete sogar eine angenehme Abwechslung.
| | |
Was
ist da vorne los? | Nichts,
nur die ersten Kanadier .... | Eine
der vielen idyllischen Streckenabschnitte.
| Wenn
wir in der Chesapeake Bay noch dann und wann ein Boot sahen, welches nicht die
kanadische oder amerikanische Flagge fuhr, so war es damit hier nun endgültig
vorbei. Wir wurden jetzt noch mehr zu Exoten. In jeder Schleuse bekamen wir immer
die gleiche Frage gestellt: "Wich kind of flag do you have and where
are you guys from?" Auf unsere Antwort, dass dies die Schweizerflagge
sei, reagierte über die Hälfte mit: "aha von Schweden seid ihr",
warum weiss ich bis heute immer noch nicht. Rückblickend können wir
nun aber sagen, dass mindestens ein Teil der Erie-Canal-Schleusenwärter jetzt
bestimmt weiss, dass die Schweiz existiert und absolut nichts mit Schweden am
Hut hat.
| |
Hier
geht es zum Lake Ontario.
| Der
obligatorische Flaggenwechsel - für einmal etwas anders.
| | | Trenton
in Ontario, Kanada | KüWü
... wir warten auf dich.
| So
entstand manch lustiges Gespräch über Gott und die Welt, bevor uns der
Schleusenwärter, per UKW, bei der nächsten Schleuse anmeldete. Somit
wurden wir immer schon erwartet und mussten eigentlich nirgendwo warten. Bei
verschiedenen Schleusen standen sogar warme Duschen bereit
gratis wohlverstanden.
In vielen Städtchen gab es auch Anlegestellen, teilweise sogar mit Wasser
und Elektrizität
und auch dies meistens gratis.
Überhaupt
fand ich, dass hier die schon sprichwörtliche Freundlichkeit der Amerikaner,
sogar noch etwas freundlicher war. Dazu gehörte auch der Abschiedssatz eines
jeden Schleusenwärters: "Have a great trip!"
Da
mein US-Visum am 10. Juni ablief, konnten wir diesen Reiseabschnitt nicht ganz
so gemütlich gestalten, wie es eigentlich angebracht gewesen wäre. Auch
wenn bei einer kleinen Zeitüberschreitung bestimmt nichts passiert wäre,
wollten wir doch kein Risiko eingehen. Die Macht eines einzelnen US-Immigrationsbeamten
ist riesengross und ich bin nicht gerne dem Goodwill meines Gegenübers ausgeliefert. Nachdem
wir in Oswego noch ein letztes Mal so richtig voll gebunkert und den Dieseltank
prallvoll aufgefüllt hatten, konnten wir den Lake Ontario überqueren.
Die MOMO auf dem See, ein leichter Wind und
trotzdem lärmte der Motor. Unser Mast war immer noch auf dem Deck festgebunden,
da ja auf der anderen Seite des Sees nun der Trent-Severn Canal auf uns wartete.
| |
Das
Flugzeug der Patrouille Suisse ....
| ....
von Oblt. Thöni | Apropos
warten .... in Trenton, am Anfang zum Kanal warteten wir auf einen Gast aus der
Schweiz. KüWü, ein alter Seebär von der CCS-Regionalgruppe Bern
sollte da zu uns stossen und uns die nächsten dreieinhalb Wochen begleiten.
Da
wir einige Tage zu früh in Trenton eingetroffen waren (dem US-Visum sei Dank),
fanden wir genügend Zeit, um uns im neuen Land einzuleben, die nötigen
Zollformalitäten in aller Ruhe zu erledigen und die nähere Umgebung
auszukundschaften. Unter anderem besuchten wir Canada's National Air Force Museum.
Mitten unter den vielen ausgestellten Flugzeugen, erfasste mein Auge einen mir
bekannten Flugzeugtyp. Beim näheren Betrachten stellte es sich tatsächlich,
als ein ehemaliges, schweizerisches Flugobjekt heraus. Hier, auf kanadischem Boden,
stand das ehemalige Patrouille Suisse Flugzeug von Oberleutnant Thöni.
Trent-Severn
Waterway National Historic Site of Canada
Nachdem
wir so Dies und Das erledigt und uns auch einige Tage "Ferien" gegönnt
hatten, traf unser Gast aus der Schweiz am Bahnhof von Trenton ein.
Nach
der freudigen Begrüssung begann Kurt mit dem Auspacken, der von uns bestellten
Sachen aus der Schweiz. Die zum Teil dringend benötigten, speziellen Ersatzteile
für das Boot, wurden erfreut in Empfang genommen. Als dann die bestellten
Delikatessen, wie Emmentaler Käse, Greyerzer Käse und natürlich
die echte Schweizer Schokolade auf dem Salontisch in Reih und Glied aufgestellt
waren, lief uns buchstäblich das Wasser im Munde zusammen. Für
Euch in der Schweiz ist es bestimmt unvorstellbar, dass man uns mit so banalen
Sachen, eine echt grosse Freude bereiten kann. Wenn ich an die gigantischen und
utopischen Weihnachtswunschlisten der heutigen Kinder denke, bekommt man dabei
vielleicht sogar einen kleinen Lachanfall, oder doch zumindest ein wehmütiges
Lächeln im Mundwinkel. Nachdem
KüWü sich nun etwas auf der MOMO
eingelebt hatte, starteten wir zwei Tage später unser Trent-Severn Waterway-Abenteuer.
| | | |
Eine
ungemütlichere Schleuse. | KüWü
und Yvonnen am "chrampfe". | Allein
auf weiter Flur und Romantik pur ... | ...
auch an den meisten Schleusen.
| Auf
den nächsten 241 Meilen (386 km) erwarteten uns wiederum viele Schleusen.
Genau 44 an der Zahl. Die meisten wurden noch von Hand bedient, das heisst, die
beiden Schleusenwärter hatten eine grosse, aus dem Boden ragende Kurbel zu
drehen, damit sich die Schleusentore öffneten, oder schlossen. Das Rad der
Zeit schien hier manchmal noch absolut still zu stehen, im Gegensatz zu dem Schleusenpersonal,
welches immer tapfer seine "Kurbelrunden" drehen musste. Nachdem
wir an der ersten Schleuse unser Durchgangspermit gelöst und bezahlt hatten,
CAN $ 220.--, welch Gegensatz zum Erie Canal, welcher gratis war, begann unser
Gast so richtig aufzublühen. Stunden, ja tagelang stand er von nun an
am Steuer und dies ohne irgendwelche Anzeichen von Müdigkeit zu zeigen. Hier
zeigte sich uns wieder einmal der frappante Unterschied zwischen einem Segler
und uns Langzeityachties.
Was,
Ihr kennt diesen Unterschied nicht? Dann ist hier eine Kurzerklärung dazu: Der
Segler hat seine grösste Befriedigung am reinen Segeln, dem Hart-am-Wind-Steuern
des Bootes, an den Wellen und einfach, auf dem Wasser unterwegs zu sein. Der
Yachtie hingegen, der lebt auf seinem Boot, bummelt um die Welt, und hat am meisten
Freude beim Ankommen in einer schönen Bucht, damit er dann das Land und die
Leute erkunden gehen kann. Das reine unterwegs sein gehört für ihn selbstverständlich
auch dazu, doch ist dies für ihn mehr Mittel zum Zweck, als absoluter Fun.
In der Sprache unterscheiden sich die beiden Typen auch ganz gross. Da sagt
doch der Yachtie z. B. auch einmal links und rechts, statt backbord und steuerbord,
oder auch Eimer, statt Pütz. Der Beispiele würde es noch viele geben
doch lassen wir das.
Begegnung
am Balsam Lake
Auf
diesem See mussten wir, wegen seiner geringen Tiefe, relativ weit vom Ufer weg
ankern. Yvonne war mitten in den Vorbereitungen für das Abendessen, als ein
sportliches Motorboot sich uns näherte.
| | | |
Gruppenbild
mit KüWü, Donna, Yvonne und Doug. | Die
alten Bilder, der Stolz der Familie Paterson. | Yvonne
und KüWü am Spieltisch. | Originalmöbel
aus der Siedlerzeit.
| Nun
kamen sofort die Fragen von wo und wohin und wie und was. Er selber, Doug, lebe
heute in Toronto, doch seine Mutter wohne im Sommer da auf der Halbinsel, denn
seine Familie stamme direkt von dem ersten Siedler dieser Gegend ab. Ob wir Lust
auf ein Glas Wein hätten, er würde uns gerne dazu einladen. Das musste
er uns natürlich nicht zweimal anbieten, denn der direkte Kontakt zu den
Einheimischen ist uns immer etwas vom Wichtigsten. An diesem Abend erfuhren
wir so manche Anekdote aus der Zeit der ersten Siedler und welche Ländereien
seine Familie einmal besessen hatte und heute teilweise immer noch besitzt. Das
Haus war sehr gut erhalten und eingerichtet wie vor zweihundert Jahren. Voller
Stolz zeigten sie uns alte Fotos, Einrichtungsgegenstände und einen ellenlangen
Stammbaum.
Das
Hydraulik Lift Lock von Petersborough
Der
Grossteil der Schleusen, bis auf drei Stück, war eigentlich unspektakulär.
Nun gibt es aber in diesem Kanal den so genannten "Big Chute Marine Railway"
und zwei "Hydraulik Lift Locks". Das eine Lift Lock steht in Kirkfield
und das grössere der Beiden ist in Petersborough. Dieses bewältigt einen
Höhenunterschied von 65 Fuss (ca. 20 m) und ist das grösste hydraulische
Schiffshebewerk weltweit. Das System ist genial einfach und wurde von dem
kanadischen Ingenieur Richard Birdsall Rogers konstruiert. Seit dem 9. Juli 1904
ist es in Betrieb.
| | |
Das
imposante Lift lock von Petersborrough | Der
Gewaltige Hebearm von unten gesehen. | Tief
geht es auf der Seite runter. | Wie
alle hydraulischen Schiffshebewerke ist es mit zwei miteinander verbundenen Trögen
ausgestattet. Der Wasserspiegel im oberen Trog wird um ca. einen Fuss (30 cm)
erhöht. Mit diesem Mehrgewicht beginnt nun dieser nach unten zu sinken und
drückt damit, hydraulisch, das untere Becken nach oben. Dies wiederholt sich
bei jedem Hub- und Senkvorgang. Das Hydraulik Lift Lock von Petersborough befuhren
wir von unten nach oben. Das heisst, wir stoppten unsere MOMO
erst einmal vor einer ungeheuer grossen Wand. Nun waren wir im unteren Trog drinnen.
Der Blick nach oben erschreckte mich schon ein wenig, denn wenn man bedenkt, wie
viele Tonnen Wasser und die MOMO dazu (auch
noch 18'000 Kg), nun so durch die Luft schweben sollten
.. Doch die Bedenken
waren natürlich nicht angebracht. Problemlos wurden wir in die Höhe
gehievt und hatten nun plötzlich eine gewaltige Aussicht nach rückwärts.
Besser, für mich, war nun aber schon, nicht direkt nach unten zu schauen,
sondern schnellstmöglich den Vorwärtsgang einzulegen und wieder in "festes"
Wasser unter dem Kiel zu gelangen.
Big
Chute Marine Railway
Absolut
erwähnenswert und beinahe einmalig ist dieses Bauwerk. Ursprünglich,
als normale Schleuse geplant und bereits mit dem Bau angefangen, fiel es aber
den Sparmassnahmen und der Finanzknappheit des Ersten Weltkrieges zum Opfer. Als
so genannter Schrägaufzug mit Trockenförderung wurde es im Jahr 1917,
als vorübergehendes Provisorium, eröffnet. Die Big Chute Marine Railway
ist das Abstiegsbauwerk Nr. 44 im Trent-Severn-Wasserweg und überwindet einen
Höhenunterschied von 17,70 Metern.
Die
Benützung dieses Liftes ist absolut speziell, denn der grösste Teil
der Anlage fährt voll ins Wasser. Wenn dann die Ladefläche genug
tief unter Wasser ist, kann das wartende Boot darauf fahren und wird anschliessend
mit Gurten fest gemacht. Da wir ja bekanntlich zwei Kiele haben, benötigten
wir diese aber nicht, was, die den Lift bedienende Crew, freudig zur Kenntnis
nahm, hatte sie doch nun für eine halbe Stunde, eine unvorhergesehene Arbeitspause. Unsere
MOMO und wir wurden nun also langsam aus
dem Wasser gehoben und fuhren gemütlich den Berg hinauf und dank der ausgeklügelten
Schienenverlegung waren wir dabei immer absolut waagrecht. Nach der kürzeren
Bergstrecke, folgte dann die Talfahrt und unten angekommen, wurden wir ganz sanft
wieder dem Wasser übergeben. Heute
ist die Diskussion, ob dieses System durch eine normale Schleuse ersetzt werden
sollte, ganz vom Tisch. Hier ist nämlich noch die einzige richtige Trennung
des Wassers von den Great Lakes zum Atlantik. Somit kann die Ausbreitung parasitärer
Fischbestände vom nördlichen zum südlichen Teil des Wasserweges
unterbunden werden.
Penetanguishene
| | |
Maststellen.
| Auf
geht's zur Wäscherei. | Nationalfeiertag.
| | | | Zwischenverpflegung
im Stehen. | KüWü
und seine Zuckerwatte. | Der
Fischköder geniesst den Sonnenuntergang.
| Hier,
in der "Dutchman's Cove Marina", hatten wir eigentlich vorgesehen gehabt,
unsere Freunde von der deutschen Momo wieder zu sehen und auch unsere MOMO
wieder zu einem Segelschiff umzuwandeln, das heisst, endlich wieder den Mast zu
stellen.
Das Erstere klappte leider noch nicht, doch nach ein paar Tagen
war unsere MOMO wieder aufgeriggt und startklar.
Die
Zeit mit KüWü neigte sich dem Ende entgegen und wir konnten mit ihm
nur noch etwas in der näheren Umgebung herumschippern. Eine Indianerreservatsinsel
hier und einen Nationalpark da, lagen leider zeitlich nur noch drin.
Als
Yvonne und ich nun wieder die einzigen Bewohner der MOMO
waren, hielt uns hier im Süden der Georgian Bay nichts mehr.
| |
Tote
Hose ... da hilft nur noch der Motor.
| Der
selbstkonstruierte Downrigger. | Unser
nächstes Ziel war der North Channel und natürlich endlich Barbara und
Wolfgang, unsere Freunde von der deutschen Momo, wieder zu sehen. Obschon auf
der MOMO eigentlich die Segel hätten
gesetzt werden können, mussten wir für die Fahrt nach Norden wieder
den Motor zu Hilfe nehmen. Bei strahlend blauem Himmel, spiegelglattem Wasser
und einer lockeren Stimmung an Bord, versuchte ich, endlich meinen ersten Lachs
zu fangen. Trotz enormem Einsatz und Ausdauer von meiner Seite,liess sich keiner
überlisten. Da halfen auch mein selbst gebastelter "Downrigger"
und die, von Einheimischen erhaltenen, Köder nichts.
|